Geliebter Vater

Du bist das Mysterium welches ich nie ergründen kann.
Nichts in meinem Leben hat eine so tiefe Wunde in mir eingepflanzt, wie Deine bedienungslose Ablehnung.
Du liebtest meine Intelligenz, und warst stolz auf mich, wenn Du vor Deinen Freunden zeigen konntest, welch guter Vater Du bist.
Sie wissen nicht, was hinter verschlossenen Türen geschah.
Es brauchte eine lange Zeit in meinem Leben um zu realisieren, dass geliebt werden,
niemals heißen darf, dass Spielchen mit mir gespielt werden.
Du zeigtest mir eine Welt, die abscheulich grausam war.
Und weil Du mein Vater warst, glaubte ich Dir.
Du brachtest mein Schweigen hervor, denn niemand machte mich sprachloser.
Du brachtest ebenso mein Sprechen hervor, denn niemand interessierte sich weniger für das was ich sagte.
Heute bin ich nicht die Über-Tochter, die all den Schmerz bereits überwunden hat.
Heute lehne ich nur nicht mehr ab, was Du mir gegeben hast. Du gabst mir mein Leben als Menschenkind auf dieser Erde.
Das Leben nicht mehr abzulehnen, bedeutet heute auch den eigenen Schmerz nicht mehr abzulehnen.
Den Frieden anzunehmen, bedeutet heute auch den eigenen Kampf nicht mehr zu bekämpfen.
Wie könnte ich böse sein auf jemanden, der mir so tiefe Schmerzen zugefügt hat?
Ich kann spüren, dass diese ‚Tiefe’ von Bedeutung ist.
Als hätte er auf einer Ebene in meinem Auftrag gehandelt,
um mich dort hin zu bringen, wonach ich mich in der Tiefe sehne…
Ich kann es nicht lieben, doch ich kann sehen, dass er mir ‘das’ auf meine Reise gab um sicher anzukommen.
Schmerzen sind der sicherste Weg zu Gott.
Ich trete das Erbe an, welches Du in mir hinterlassen hast.
Ich entzaubere die ‚grausame’ Welt, und darf sehen, dass sie durch meine Augen oftmals so viel sanfter ist.
Und wenn ich so ‚schau‘, dann fühlt es sich so an, als wär ich in jenen Armen angekommen, nach denen ich mich so sehr sehnte.
Geliebter Vater im Himmel
#Süßbitterer Genesungstext zum Vatertag
#Genesungskunst by Claudia Töllich